Reden wir von der Liebe

Reden wir von der Liebe

Florian Russi (Hrsg.)

2007, 104 Seiten

ISBN: 978-3-937601-40-3
Preis: 9,80 €

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Liebe ist ein Thema, das jeden berührt. Doch schon Heinrich Heine stellte die verzweifelte Frage: "Hat keiner ihr Wesen ergründet?" Florian Russi hat sich diesem Unterfangen gestellt und vieles zusammengetragen, was in der Welt über die Liebe gedacht, gesagt, gesungen und geschrieben wurde. Ohne Umschweife erzählt er aus Mythen und Sagen, stellt berühmte Paare vor und beschreibt ihr oft abenteuerliches Liebesleben.

Angereichert wird dies durch Gedichte und Liedertexte, u.a. von Bertolt Brecht, Erich Fried und Reinhard Mey. Das Buch schließt mit einer Auseinandersetzung darüber, was Biochemiker und Evolutionstheoretiker über die Liebe gesagt haben.

Ein manchmal ernüchterndes und zugleich poetisches Buch.

Leseprobe

 Fast alle sind wir von der Vorstellung geprägt, dass die Liebe auf der Welt das Wichtigste sei. Es gibt nur wenige Menschen, deren Herz noch nicht geklopft, die noch keine zärtlichen Worte gebraucht, keinen Liebesschwur geleistet, kein Liebesgedicht verfasst, kein Lied über die Liebe gesungen haben. Unendlich viele Liebesbriefe sind geschrieben worden. Sie alle haben das Glück, die Ausschließlichkeit und die einzigartige und treue Verbundenheit der Liebenden beteuert oder beschworen
Wenn dies so ist, habe ich mir gedacht, werde ich in der Literatur und den Werken großer Geister vieles über das Thema Liebe finden. Unbefangen habe ich mich auf die Suche nach dem begeben, was über die Liebe gesagt und geschrieben wurde. Doch bin ich in meinen Erwartungen enttäuscht worden. Zwar zieht sich die Liebe als Thema durch die Künste der Welt, doch wird sie kaum als das behandelt, was ich erwartet hätte.
Es beginnt schon mit den Märchen, der frühesten Form, in der Menschen Literatur erleben. Zwar enden viele mit dem Satz „und lebten glücklich bis an ihr Lebensende“, doch damit drücken sie sich um die Aussage, wie dieses Glück genauer ausgesehen hat.
Nehmen wir dafür zwei bekannte Beispiele, in denen Paarbeziehungen im Mittelpunkt stehen: In König Drosselbart weist die Prinzessin den Brautwerber zurück, weil er ihr äußerlich nicht attraktiv genug ist. Schließlich muss sie einen mittellosen Spielmann heiraten, ohne zu wissen, dass sich hinter ihm der von ihr abgewiesene Freier verbirgt. Der demütigt und erniedrigt sie zunächst und rächt sich so für die erlittene Zurückweisung. Dann aber gibt er sich zu erkennen und die Freude der beiden – so wird jedenfalls behauptet – fing jetzt so richtig an. War das Liebe?
Im Märchen vom Aschenputtel schwärmen drei junge Damen um einen Königssohn. Zwei von ihnen sind anspruchsvoll und verwöhnt. Die Dritte, ihre Halbschwester, ist bescheiden und demütig, hat aber die zierlicheren Füße und ist dank fremder Hilfe bei ihrem Auftritt vor dem Prinzen am besten gekleidet. Im Ergebnis heiratet der Prinz die Ärmere von den Dreien. Vieles zum Inhalt ihrer Liebe bleibt jedoch offen. Hätte sie ihn auch genommen, wenn er kein Prinz, sondern ein gediegener Bauernbursche gewesen wäre? Gab es etwas in seinem Charakter oder Verhalten, was ihre Liebe entfachte? Der Prinz muss sich die Frage stellen lassen, warum er sie, in die er sich doch verliebt hatte, erst wieder erkannte, nachdem feststand, dass allein auf ihren Fuß der Pantoffel passte, den sie im Schloss zurück gelassen hatte. Bis dahin hätte er auch mit einer ihrer Schwestern fürlieb genommen.
Auch in Schlagern wird die Liebe besungen, aber nur wenige sind Oden auf sie. „Warum weinen, wenn es auseinander geht, wenn an der nächsten Straßenecke schon ’ne andere steht“, heißt es da, „merci für die Stunden…“, oder: „sie hat rotes Haar, auch sonst gibt’s was zu sehn…“. Wenn sich moderne Sängerinnen mit den Männern befassen, werden denen meistens die Leviten gelesen. „Verpiss Dich“ oder „Heut verkauf ich meinen Mann“ schallt es dnn aus dem Radio. Das alles ist nicht Ausdruck großer Liebe.
Ein Roman ohne Liebe ist schwer denkbar, sie selbst aber hat kaum einer zum alleinigen Gegenstand. In bedeutenden Werken wie Madame Bovary oder Effie Briest begegnet sie uns in Form von ehebrecherischen Beziehungen. In Shakespeares Drama erleben Romeo und Julia zwar eine Liebe, die den Hass ihrer Familien überwindet, müssen dafür aber auch tragisch sterben. In Segals Love Story endet die Beziehung mit dem frühen Tod der jungen Frau. Die Liebe braucht also keine nachhaltige Bewährungsprobe mehr zu bestehen.
An das Thema einer erfüllten oder reifen Liebe hat sich kaum ein Autor herangewagt. Das mag damit zusammenhängen, dass nicht viele Menschen und vor allem nur wenige Künstler an die Zuverlässigkeit und Beständigkeit einer Liebe glauben können.
Vielleicht liegt es auch daran, dass die treue und verständige Liebe zu wenig aufregend ist, um über sie zu dichten oder zu singen. Eine Skandalchronik erregt eher das allgemeine Interesse als ein Kalender von Tugendhaftigkeiten. „Schlechte Neuigkeiten sind die besten“ („Bad news are good news“) ist ein Spruch unter Journalisten.
Dennoch steht die mit Treue gepaarte Liebe für die meisten Menschen im Zentrum ihrer Lebenserwartung. Der Traum von der „großen Liebe“ ist weit verbreitet. Wer sie erlebt hat, wird damit eine der schönsten Erfahrungen seines Lebens gemacht haben. „Lieben und geliebt werden, darin besteht das Glück“, formulierte es einer meiner Lehrer.
Mit denjenigen, die an die Liebe glauben, will ich in diesem Buch gemeinsam auf die Suche nach ihr gehen. Im Blickfeld steht dabei vor allem die partnerschaftliche Liebe. Sie lässt sich definieren als stärkste Form der Zuneigung, zu der Menschen untereinander fähig sind.