Die Jenaer Schulen im Fokus der Staatssicherheit

Jens Ackermann

Eine Abhandlung zur Mitarbeit von Lehrern und Schülern beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR, 2005, 94 Seiten

ISBN: 978-3-937601-21-2
Preis: 12,80 €

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Der Autor dieser Fallstudie widmet sich einem immer mehr in den Hintergrund tretenden Thema, nämlich dem unserer jüngsten deutschen Vergangenheit. Nach gründlichen Recherchen ist es ihm gelungen, die Strukturen eines weitgehend vergessenen Kapitels der DDR Geschichte exemplarisch am Beispiel der Schulen in Jena aufzuzeigen.

Die Tätigkeit der Staatssicherheit an den Schulen der DDR, hier speziell an den weiterführenden Schulen Jenas, kann nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklung im Bereich der DDR-„Volksbildung“ verstanden werden. Nur so ist die Motivation von vielen Lehrern und Schülern zu begreifen, die mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammenarbeiteten. In diesem Buch geht es nicht um die Aburteilung dieser Lehrer oder Schüler, sondern vielmehr soll gezeigt werden, wie es mit Hilfe eines weit verzweigten IM-Netzes möglich war, die Vorgaben des Ministeriums für Volksbildung in die Tat umzusetzen und damit zu versuchen, die Menschen im Sinne des SED-Machtapparates zu Werkzeugen ihrer Ideologie zu machen. Das Ausmaß der Mitarbeit von Lehrern und Schülern beim Ministerium für Staatssicherheit in der ehemaligen DDR ist bis heute kaum in das Blickfeld der Aufarbeitung der SED Diktatur gerückt. Schon der kleine Ausschnitt aus dem Bereich der Volksbildung in Jena zeigt, wie eng verwoben die Volksbildung mit der Staatssicherheit war, wie Lehrer und Schüler manipuliert und mißbraucht wurden, um eine Diktatur am Leben zu erhalten. Es wird die Frage nach der Notwendigkeit dieses Spitzeldienstes einzelner Lehrer und Schüler gestellt und ob damit die DDR als Staatssystem aufrecht erhalten werden konnte. Diese Frage führte den Autor zwangsläufig dazu, wie mit diesen uns überlieferten Unterlagen um zugehen ist. Ackermann kommt nach der Arbeit mit den Staatsicherheitsunterlagen zu dem Schluß, daß es heute mehr den je geboten ist, sich die Systeme – hier im speziellen das „Führungs- IM- System“ in Jena an den Schulen – anzusehen, statt nur einzelne Personen herauszugreifen.

In der Stadt Jena wurde Anfang der siebziger Jahre ein FIM-System (Führungs-IM-System) im Bereich der Schulen aufgebaut. Insbesondere die Erweiterten Oberschulen zeichneten sich, gemessen an der Anzahl der involvierten Lehrer, durch ein sehr dichtes IM-System aus. Das MfS konnte aber auch in nennenswerter Zahl Schüler anwerben. Die Einrichtung der FIM-Systeme überrascht zunächst, da das MfS in der Volksbildung über ein breites Netz an GMS (Gesellschaftliche Mitarbeiter für Sicherheit) verfügte. Intern begründete das MfS die FIM-Systeme mit der Entlastung seiner hauptamtlichen Mitarbeiter. Die Gründe für die Installierung dieser Systeme liegen aber vor allem darin, daß das MfS durch sie seine IM noch stärker an sich binden und einen Bereich innerhalb der Volksbildung schaffen wollte, der vollkommen in sich geschlossen und abhängig vom MfS war.

Die untersuchten Fälle, in denen Lehrer und Schüler für das Ministerium für Staatssicherheit arbeiteten, lassen exemplarisch deutlich werden, wie das System, je freier es sich in den 1970er und 1980er Jahren nach außen gab, im Inneren umso mehr die individuellen Freiheiten einschränkte. Die Quellen zeigen, wie stark Lebenslauf und Karriere vom politischen Willen Einzelner abhängig wurden, wenn man sich nicht systemkonform verhielt. Gerade in dieser Zeit wurde die „soziale Mobilität“ stark eingeschränkt.